Die Parkbank
Musste das jetzt sein, dachte Georg. So viele Bänke entlang des Weges waren frei, nur auf dieser Bank saß eine alte Frau. Sie hatte ihre Einkaufstaschen neben sich ausgebreitet auf der Bank, auf der er früher oft mit seiner Frau saß. Seit vor einigen Jahren seine Frau gestorben war, kam er jeden Tag in den Park, spazierte eine Stunde lang um die Teiche und Rabatten und setzte sich dann auf seine Bank. Und jetzt war die Bank besetzt.
Das würde er sich nicht gefallen lassen. Seine Hand würde sich fest um den Griff seines Stocks schließen. Dann, schließlich hätte er die älteren Rechte, würde er auf seine Bank zugehen und der Frau befehlen, sich auf eine andere Bank zu setzen. Er müsste nur energisch auftreten, dann würde ihr nichts anderes übrigbleiben als das Feld zu räumen. Und er hätte seine Bank wieder für sich. So wie immer.
Er würde sich wieder beruhigen und sich zurücklehnen. Seine Augen würden den Menschen folgen und seine Gedanken den alten Wegen. Er würde sich erinnern, wie er früher mit seiner Frau hier spazieren gegangen war. Wie sie in der Sonne auf den geraden Kieswegen und im Schatten des Waldes auf weichen Pfaden gewandert waren. Er würde daran denken, wie Erika sich über die kleinen Dinge freuen konnte. Über eine Blüte am Wegesrand, die der Ordnung des Gartens entkommen war. Über Spinnweben, die das eiserne Gitter einer Brücke mit einem Spitzenkleid verzierten. Über das sanfte Plätschern des Wassers unter der Brücke.
Er würde anfangen zu träumen und sich vorzustellen, wie es hätte sein können, wenn Erika noch bei ihm wäre. Aber Erika hätte diese Frau nicht von der Bank vertrieben.
Also würde auch er auf die Frau zugehen. Er würde sie fragen, ob auf der Bank noch Platz sei, ob er sich zu ihr setzen dürfe. Sie würde ihre Taschen und Tüten zusammenraffen und ihn mit einer Handbewegung zu sich auf die Bank einladen. Zuerst würden sie beide verlegen schweigen, doch dann würde er sich eine Erklärung abringen. "Wissen Sie," würde er anfangen, "seit zwei Jahren sitze ich an jedem Nachmittag auf dieser Bank." Und sie wäre eine gute Zuhörerin, die diesen erst zögerlichen, dann immer stärkeren Wortschwall auffangen, aufsaugen würde. Anschließend würde sie ihm erzählen, wie sie manchmal ganz früh morgens, im Alter könne man ja nicht mehr so lange schlafen, hier sei, um den Sonnenaufgang zu erleben. Sie würde ihn mitnehmen in die Welt der ersten Sonnenstrahlen und der erwachenden Vögel.
Dann würden sie gemeinsam zurückkommen in diesen spätsommerlichen Nachmittag. Sie würden die vorbeitrabenden Jogger beobachten, die Radfahrer und Familien mit kleinen und größeren Kindern. Sie würden miteinander reden und lachen und schließlich feststellen, dass sie eine gute Zeit miteinander verbracht hatten. Und beim Abschied würden sie sich für morgen wieder verabreden.
Also, los jetzt, feuerte Georg sich an. Er packte den Griff seines Stocks fester und ging mit festen Schritten auf die Frau zu. Als er an ihr vorbeikam, lächelte er sie schüchtern an und setzte sich auf die nächste Bank.
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